Erneut hat sich das Bündnis gegen Castor-Exporte in einem offenen Brief an die Abgeordneten von CDU, SPD und Grünen im Bundestag gewandt: Kritisiert werden fehlende Legaldefinitionen, intransparente Vorgehensweise, fehlende Berücksichtigung der Hinweise auf Gesetzeslücken und Probleme im Gesetzentwurf. Gleichzeitig werden die vom Bündnis aufgezeigten Schlupflöcher für Atommüllexporte aus dem AVR Jülich und dem THTR Hamm durch eine Stellungnahme eines Fachanwalts untermauert. Dem entsprechend werden die Abgeordneten aufgefordert, der StandAG-Novelle und dem lückenhaften Atommüll-Exportverbot in dieser Form nicht zu zustimmen. Im folgenden dokumentieren wir den offenen Brief (PDF):
Offener Brief an Bundestagsabgeordnete zum Stand AG Stellungnahme zum Exportverbot durch Fachanwalt Sehr geehrte Abgeordnete des deutschen Bundestages, als ein überregionales und breit aufgestelltes Bündnis von Anti-Atomkraft-Initiativen, dem Bündnis gegen Castor-Exporte, bringen wir Ihnen hiermit unsere Besorgnis und unseren Unmut über die Novellierung des Standortauswahlgesetzes zum Ausdruck. Diese Novellierung, die von den Bundestagsfraktionen von CDU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen erarbeitet wurde, wird dem eigenen Anspruch auf Wissenschaftsbasierung und Transparenz nicht gerecht. Auch einer Befriedung des Konfliktes um die Atomkraft bzw. der Atommüllfrage kommt die vorgelegte Novelle nicht hinreichend näher. Die Bedenken bezüglich der Schlupflöcher für einen Export der THTR/AVR-Castoren wurden auf Nachfrage unsererseits mehrfach ignoriert und als unbegründet abqualifiziert. Vielmehr ist mehrfach davon die Rede, dass die Exportwahrscheinlichkeit „nahe Null“ oder „nahezu ausgeschlossen“ sei. An anderer Stelle heißt es, dass „das Bundesumweltministerium ... diese Option ausgeschlossen (hat)“. Aber der Atommüllexport aus dem AVR Jülich bzw. THTR Hamm ist mit den Formulierungen in der Novelle des StandAG eben nicht komplett und eindeutig juristisch ausgeschlossen! Dessen sind sich offenbar auch die Abgeordneten bewusst, die uns wie oben zitiert geantwortet haben. Dass hier Schlupflöcher bestehen, wurde uns durch eine juristische Stellungnahme des uns vorliegenden Gesetzestextes durch einen Fachanwalt für Verfahrensrecht bestätigt. (Siehe Anhang.) Der Atommüll aus den beiden Kugelhaufenreaktoren stellt sowohl von der Menge (455 Castoren) als auch von seinen Eigenschaften her ein viel größeres Problem bei der Entsorgung dar als Müll aus Leichtwasserreaktoren (LWR). Behörden und Politik haben seit 1973 zugeschaut, wie diese Müllmengen gehortet wurden, aber nicht darauf gedrängt, dass Verfahren entwickelt wurden, die den Müll auf LWR-Level entschärfen. Stattdessen wurde zugelassen, dass deutsche Entwicklungsgelder zur Unterstützung von zweifelhaften Kugelhaufen-HTR-Projekten in Südafrika und China zweckentfremdet wurden. Jetzt wird klar, dass dieser Müll vor einer „Endlagerung“ aufwändig und riskant behandelt (konditioniert) werden muss. Eine solche Konditionierung im Ausland wird im Gesetz nicht ausgeschlossen. Dazu wurde uns geantwortet, dass eine Konditionierung des Atommülls im Ausland zwar möglich sei, aber sicher nicht vor 2040. Bei näherer technisch-physikalischer Betrachtung etwaiger Konditionierungsvorgänge des Jülicher/ Hammer Atommülls in den USA muss davon ausgegangen werden, dass fast der gesamte radioaktive Kohlenstoff C-14 des Mülls in den USA in die Atmosphäre abgegeben würde. Die Atomkugeln sollen dort nämlich in einem riskanten Prozess verbrannt oder vergast werden und dabei kann man C-14 nicht ausfiltern. Die drastische Verminderung des nach Deutschland zurückkommenden Müllvolumens wird also mit grossen Umweltbelastungen in den USA erkauft. Das ist mit einem generellen Exportverbot unvereinbar. Leider müssen wir davon ausgehen, dass seitens der beteiligten Parteien trotz unserer Einwände und Bedenken kein weiterer Gesprächsbedarf gesehen wird. Hierüber sind wir tief enttäuscht. Wir erlauben uns den Hinweis, dass es gerade die Anti-Atom-Bewegung ist, die die Diskussion um die Atomkraft und der Atommüllentsorgung seit Jahren engagiert und auf hohem fachlichem Niveau führt. Dass unsere vorgebrachten Bedenken – und auch die der Verbände in der Anhörung und die des Nationalen Begleitgremiums - trotzdem kein Gehör finden, ist angesichts des Anspruchs auf Transparenz und Bürgerbeteiligung nicht nachvollziehbar. Hierunter verstehen wir etwas anderes, als die aufgeworfenen Fragen durch beschwichtigende Antworten aus dem Bereich des konstruktiven Diskurses herauszunehmen. Gerne wollen wir unsere zentralen Bedenken hier noch einmal darstellen: • Die Begriffe „Anlagen zur Spaltung von Kernbrennstoffen zu Forschungszwecken“ und „Anlagen zur Spaltung von Kernbrennstoffen zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität“ sind weder in der jetzigen, noch in der neuen Fassung des Atomgesetzes oder des Standortauswahlgesetz legal definiert. Das ist weder aus naturwissenschaftlicher, noch aus juristischer Sicht „wissenschaftsbasiert“ und erst recht nicht „transparent“. Ganz besonders nicht vor dem Hintergrund, dass solche nicht-eindeutigen Definitionen die Frage aufwerfen, was damit bezweckt werden soll. Wir vermuten, dass damit Export-Optionen gewahrt werden, die durch die Novellierung eindeutig ausgeschlossen werden sollen. Der Umstand, dass das BMUB in der Diskussion um die Export-Schlupflöcher verlauten ließ, es gebe keine eindeutige Positionierung der Bundesregierung, ob der THTR Hamm ein Forschungsreaktor oder ein Leistungsreaktor sei, gibt allen Grund zu dieser Annahme. Gleiche Unklarheit besteht in Bundesregierung und Bundestag seit Jahren zum AVR Jülich. Nach unserer Auffassung versteht man unter Forschungsreaktoren ausschließlich Neutronenquellen, und eine solche Definition sollte im Gesetz verankert sein. • Bis zum Jahr 2018 sind laut verschiedener Anfragen und Anträgen von Grünen und Linken Gelder im Bundeshaushalt für den Jülicher Atommüll eingeplant, die auch für die Verbringung der 152 Castoren in die USA genutzt werden dürfen – das widerspricht den Beteuerungen, dass der Export ausgeschlossen sei. • Die derzeitige Betriebsamkeit im Gesetzgebungsverfahren forciert zudem einen Transport des Jülicher Atommüll in das Brennelementezwischenlager Ahaus. Diese Transporte lehnen wir ab. Stattdessen fordern wir den Neubau eines möglichst sicheren Zwischenlagers in Jülich. Zur eigentlichen Endlager-Suche und den dazu in der Gesetzes-Novelle enthaltenen Problemen haben andere Anti-Atomkraft-Initiativen und Umweltverbände, auch in der Anhörung des Umweltausschusses, ausführlich Stellung bezogen. Auch das Nationale Begleitgremium hat noch einmal Verbesserungsvorschläge gemacht. All diese Bedenken und Verbesserungsvorschläge wurden bislang nicht berücksichtigt und umgesetzt. Für uns ist klar: Wir werden als Anti-Atomkraft-Initiativen und als Bündnis gegen Castor-Exporte weiterhin mit dem gewohnten Engagement einen verantwortungsvollen Umgang mit dem Atommüll einfordern und uns sinnlosen und gefährlichen Castor-Transporten und vor allem Castor-Exporten widersetzen. Wir müssen Ihnen ferner in Aussicht stellen, dass mit dieser Novelle des StandAG die erhoffte Befriedung des gesellschaftlichen Konfliktes nicht erreicht werden kann. Dem entsprechend fordern wir Sie auf, die StandAG-Novelle zu überarbeiten, die erwähnten Gesetzeslücken zu schließen und im Sinne der Transparenz und Bürgerbeteiligung die Kritik der Anti-Atom-Bewegung und der geladenen Experten in der Anhörung ernst zu nehmen und umzusetzen. Mit freundlichen Grüßen Bündnis gegen Castor-Exporte