Zusammenfassung (Stand 10.10.2023)

  • unsere aktuellen News-Artikel zu Jülich
  • Westcastor-Petition-2023 als PDF / zur Online-Petition
  • Westcastoren-aktueller Stand-Transportpläne-2023-07 als PDF
  • Westcastor-Resolution 2017 als PDF (90 Initiativen und Verbände hatten unterzeichnet)
  • AVR Jülich: kommerzieller Kugelhaufen-Reaktor als Prototyp (1966-1988)
  • 152 AVR-Castor-Behälter mit 300.000 porösen und brennbaren Brennelemente-Kugeln
  • Castorbehälter haben Zulassung für 40 Jahre
  • Castor-Zwischenlager in Jülich seit 1993 in Betrieb,  seit 2013 ohne Genehmigung, 2014 mit Betonmauer gegen Flugzeugabstürze nachgerüstet
  • Export der Castoren in die USA seit 2012 geplant, ganz offensichtlich entgegen geltender Gesetze, da AVR kein Forschungsreaktaor nach Atomgesetz, Option aber seit 2022 nicht weiter verfolgt
  • Neubau eines möglichst sicheren Zwischenlagers in Jülich wird seit jeher verschleppt
  • Einlagerungsgenehmigung für AVR-Castoren in Ahaus erteilt, aber bislang keine Transportgenehmigung und Klage der Stadt Ahaus gegen Einlagerungsgenehmigung
  • Juni 2023: Probe-Fahrten für Castortransporte von Jülich nach Ahaus, Leertransport für Oktober 2023 angekündigt, Atommüllverschiebung für 2024 angekündigt
  • Ahauser Atommülllager aber auch nur bis 2036 genehmigt und Jülicher Castoren müssen vor Abtransport in Endlager neu konditioniert werden (vermutlich/ eigentlich in Jülich)
  • Ebenfalls neues Zwischenlager für AVR-Reaktorbehälter, Landessammelstelle für schwach- und mittelradioaktiven Atommüll und Standort der GNS zur Atommüll-Konditionierung in Jülich, diese bleiben auch nach Abtransport der Castoren bestehen

AVR Jülich

Das Kernkraftwerk ‚Arbeitsgemeinschaft Versuchsreaktor‘ Jülich, kurz ‚AVR‘ war von 1966 bis 1988 in Betrieb. Es wurde von einem Konsortium aus 15 kommunalen Energieversorgern kommerziell zur Stromerzeugung betrieben. Die benachbarte Kernforschungsanlage Jülich, heute Forschungszentrum Jülich (FZJ), übernahm die wissenschaftliche Betreuung des AVR, die kommerziellen Verluste und schließlich auch den Atommüll. Das FZJ gehört zu 90% dem Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10% dem NRW-Wissenschaftsministerium. Im AVR wurden 1500 GWH Strom sowie 152 ‚AVR-Castoren‘ (offizielle Bezeichnung ‚THTR/AVR-Castor‘) mit ca. 300.000 Brennelemente-Kugeln Atommüll produziert. Während des Betriebs traten eine Reihe verheimlichter Pannen auf. Der AVR gehört zu den sogenannten Hochtemperatur-Reaktoren und Kugelhaufen-Reaktoren, die Brennelemente-Kugeln enthalten Graphit und somit auch entzündlich (wie die Brennstäbe in Tschernobyl). In Deutschland wurden nur der AVR und der Thorium-Hochtemperatur-Reaktor in Hamm-Uentrop gebaut. Im Vergleich zu Leichtwasserreaktoren ist das Atommüllvolumen im Verhältnis zum produzierten Strom besonders hoch. Beide Kugelhaufen-Reaktoren hatten zahlreiche Störfälle und wurden vorzeitig stillgelegt.

Castor-Zwischenlager Jülich und Castor-Pläne

Seit 1993 wird auf dem Gelände des Forschungszentrums Jülich (FZJ) ein Zwischenlager in Leichtbauweise für AVR -Brennelemente in Castoren betrieben, dessen Genehmigung nach 20 Jahren ohne angemessene Reaktion der NRW-Atomaufsicht im Jahr 2013 ausgelaufen ist. Der Ablauf der Genehmigung war lange zuvor absehbar, da die Befristung bis 2013 seit Inbetriebnahme bestand.

2010 wurden erstmalig Pläne bekannt, die 152 Castor-Behälter in das Zwischenlager Ahaus zu verbringen, um den Standort des Forschungszentrums Jülich von imageschädigenden atomaren Altlasten zu befreien. Dies kann aber allein deshalb nicht gelingen, weil dort weiterhin der AVR-Reaktorbehälter in einem neueren Zwischenlager liegt und es auch eine Landessammelstelle für schwach- und mittelradioaktiven Atommüll gibt. Ebenso unterhält die Gesellschaft für Nuklearservice (GNS) einen Standort zur Konditionierung von schwach- und mittelradioaktivem Abfall.

2012 wurde bekannt, dass die Genehmigung für den Abtransport nach Ahaus nicht erteilt werden kann, da die Antragsunterlagen qualitativ unzureichend waren. Gleichzeitig wurden Pläne des FZJ bekannt, die AVR-Castoren vor dem Hintergrund eines Proliferationsabkommens in die USA zu verbringen und die Genehmigung für das Jülicher Zwischenlager bis 2016 verlängern zu lassen. Dazu kam es jedoch nicht, da 2013 das Jülicher Zwischenlager den sogenannten Stresstest nicht bestand und somit die Genehmigung am 30.06.2013 auslief. Das Jülicher Zwischenlager gilt im Vergleich mit anderen Zwischenlagern in Deutschland als besonders unsicher und weist inzwischen auch bauliche Mängel auf. Erst 2016 wurde ein Kran zum Verladen der Castorbehälter wieder rechtmäßig in Stand gesetzt und zugelassen. Zweimal wurde die weitere Lagerung der 152 AVR-Castoren in Jülich von der NRW-Atomaufsicht amtlich geduldet, bis am 02.07.2014 die Räumungsanordnung für das Zwischenlager von der NRW-Atomaufsicht erteilt wurde. Die Räumungsanordnung kann seitdem wegen fehlender Transportgenehmigungen aber nicht umgesetzt werden.

Das vom FZJ vorgelegte Konzept zur Räumung des nun illegalen Zwischenlagers sah  2013 offiziell drei gleichwertige Optionen vor:

  1. den Export der Castoren in die USA,
  2. Castor-Transporte nach Ahaus,
  3. Neubau eines Zwischenlagers in Jülich.

Ganz offensichtlich wird aber lediglich an den Plänen für Castor-Transporte nach Ahaus ernsthaft gearbeitet, da hierfür im Juli 2016 eine Einlagerungsgenehmigung vom Bundesamt für Strahlenschutz erteilt wurde. Die Stadt Ahaus und ein Ahauser Bürger klagen derzeit gegen die Einlagerungsgenehmigung. Die noch fehlende Transportgenehmigung ist in Arbeit und wird zum Jahreswechsel 2024 erwartet. Vermutlich werden dann auch zügig eine Gerichtsentscheidung für die Klagen gegen die Einlagerungsgenehmigung fallen. Im Juni 2023 wurden Probe-Fahrten mit einer Zugmaschiene und Tieflader durchgeführt. Für den Oktober 2023 sind Testtransporte mit leeren Castoren geplant und die eigentlichen Castortransporte ab 2024.

Für die anderen beiden Optionen sind noch keinerlei Anträge gestellt worden, sondern es werden/ wurden lediglich allgemein die Optionen auf Machbarkeit durch das FZJ geprüft. Rechtlich war und ist der Export von Atommüll aus kommerziellen Reaktoren ins Ausland untersagt, auch wenn das FZJ und Politiker_innen inzwischen fälschlicherweise nur noch von „Forschungsreaktor“ sprechen. Korrekt handelte es sich aber beim AVR um einen kommerziell genutzten Prototypen. Auch in der Liste des Bundesamtes für Strahlenschutz über die in Deutschland vorhandenen Atomanlagen ist der AVR als kommerzielles AKW aufgeführt – und nicht als Forschungsreaktor (diese werden laut Atomgesetz nicht zur Stromproduktion genutzt). Erst 2022 wurde die Option des USA-Exports endgültig aufgegeben.

Der Zwischenlager-Neubau in Jülich wird zwar im Schwarz-Grünen NRW-Koalitionsvertrag gefordert, aber außer dass Geld im Landeshaushalt 2024 für ein Zwischenlagergrundstück bereit gestellt wurde, ist nichts an Aktivitäten diesbezüglich zu erkennen.

Castor-Transporte nach Ahaus sinnlos und gefährlich

Fakt ist jedoch, dass auch das Zwischenlager in Ahaus nur eine Genehmigung bis 2036 hat und bereits 2030 Pläne für die Räumung des Ahauser Zwischenlagers vorgelegt werden müssen. Dann ginge das Entsorgungs-Chaos von Neuem los. Auch ist das Ahauser Zwischenlager nicht gegen Flugzeugabstürze gesichert und die Erhöhung des Terrorschutzes ist eine dafür fragliche Sicherheitseinrichtung. Reparaturmöglichkeiten für die Castor-Behälter gibt es in Ahaus nicht. Castortransporte von Jülich nach Ahaus bringen somit nur einen geringfügigen Sicherheitsgewinn, dem hohe Risiken beim Transport entgegenstehen. Aufgrund neuer Sicherheitsrichtlinien vom Dezember 2016 bezüglich der Terrorgefahr sind gepanzerte Spezial-LKW notwendig. Jeder LKW wiegt 130 Tonnen – ohne Castor. All zuviele Autobahn-Rheinbrücken dürften für das Gewicht zwischen Jülich und Ahaus nicht in Betracht kommen.

Zudem machen die Castor-Transporte von Jülich nach Ahaus Entsorgungstechnisch keinen Sinn, da die hochporösen, brennbaren Brennelemente-Kugeln vor einer wie auch immer gestalteten Endlagerung aufwendig konditioniert (=bearbeitet) werden – auch das ist in Ahaus nicht möglich. In Jülich hingegen sitzen die Verantwortlichen, die am ehesten eine Konditionierung des problematischen Atommülls entwickeln könnten.