Anti-Atomkraft-Initiativen aus NRW und Niedersachsen sowie der BBU und die Ärzteorganisation IPPNW fordern von der Bundesregierung ein sofortiges Ende der Atomkooperationen zwischen Deutschland und Russland, insbesondere auf dem Gebiet der Urananreicherung und der Brennelementefertigung. Anlass für den dringenden Appell ist zum einen die gewalttätige Repression gegen zahlreiche Demonstrationen in Russland im Zuge der unrechtmäßigen Verhaftung des Oppositionspolitikers Alexej Nawalny. Zudem stellt sich die Frage, inwieweit die bestehenden Atomkooperationen gegen bereits existierende EU-Sanktionen verstoßen.
„Die Menschenrechtslage in Russland hat sich drastisch verschlechtert. Die staatliche Repression betrifft auch die Umweltbewegung, die sich gegen die Atomkraft und den Kohleabbau einsetzt. So musste die Ko-Vorsitzende der Umweltorganisation Ecodefense, Alexandra Koroleva, 2019 nach Deutschland ins Exil gehen. Eine weitere Zusammenarbeit Deutschlands im Bereich der Urananreicherung und der Brennelementefertigung ist nicht länger tragbar, zumal Russland genau wie andere Atomwaffenstaaten den Bau kleiner Modul-Reaktoren plant, die z. B. für militärische Atom-U-Boote geeignet sein sollen,“ erklärte Dr. Angelika Claussen, die Europavorsitzende der IPPNW.
Konkret wurde die deutsch-russische Atomkooperation in den letzten Jahren erheblich ausgeweitet:
- Der Urananreicherer Urenco hat allein in 2019 und 2020 von Gronau aus mit insgesamt 20 Urantransporten rund 18 000 t abgereichertes Uranhexafluorid als Uranmüll nach Russland geliefert. Laut einem Gutachten von Prof. Bernhard Wegener vom letzten Oktober verstießen diese Exporte klar gegen die EU-Sanktionen im Zuge der Krim-Annektion im Bereich Dual Use. Eine Reaktion der Bundesregierung steht noch immer aus.
- Der Urananreicherer Urenco hat zudem im Juli 2020 vom Export-Bundesamt BAFA zwei Ausfuhrgenehmigungen für angereichertes Uran von Gronau nach Russland erhalten – der genaue Zweck dieser Lieferungen ist bis heute unbekannt. Laut Transportliste des Transport-Bundesamts BASE gab es im Juli und November 2020 bereits drei entsprechende Transporte.
- Auch der Brennelementehersteller Framatome/ANF in Lingen unterhält enge Geschäftsbeziehungen mit der russischen Atomindustrie: Im Dezember 2019 und 2020 wurden zwei Exportgenehmigungen von Lingen nach Russland erteilt, in 2020 fanden bereits zwei entsprechende Urantransporte nach Russland statt. Zudem sind beim BASE seit Dezember 2019 ingesamt zehn Urantransporte von Russland nach Lingen dokumentiert.
Die Anti-Atomkraft-Initiativen und Verbände gehen davon aus, dass auch Exporte von angereichertem Uran aus Gronau und Lingen gegen die EU-Sanktionen im Dual-Use-Bereich gegenüber Russland verstoßen. Auch angereichertes Uran kann für militärische Zwecke verwendet werden, z. B. in Brennelementen für Atom-U-Boote oder für AKWs, die dem Militär zuarbeiten. Zudem kann abgereichertes Uranhexafluorid zur Herstellung von panzerbrechender Munition genutzt werden. Die Initiativen und Verbände verlangen deshalb von der Bundesregierung den sofortigen Ausstieg aus diesen Exporten und einen entschlossenen Einsatz für die Stärkung der Menschenrechte in Russland.
Die Initiativen und Verbände werden sich auch 2021 gemeinsam mit russischen Umweltorganisationen (wie z. B. Ecodefense) für ein Ende der deutsch-russischen Atomgeschäfte einsetzen.
Link zu den BAFA-Exportgenehmigungen und zur BASE-Transportliste: