Die Trauer-Mahnwache am 18. September 2020 vor dem Haupttor der Urananreicherungsanlage Gronau hat nun ein juristisches Nachspiel: Ein Atomkraftgegner aus dem Münsterland hat bei der Staatsanwaltschaft Münster Strafanzeige wegen des Verdachts der Nötigung gegen einen Autofahrer erstattet. Der Autofahrer kam während der angemeldeten Trauer-Mahnwache vom Gelände der UAA und fuhr mit seinem Auto in gefährlicher Weise mitten in die Versammlungsmenge.
Zudem erhoben mehrere AtomkraftgegnerInnen aus dem Münsterland und Niedersachsen bei NRW-Innenminister Herbert Reul sowie dem Borkener Landrat Dr. Kai Zwicker Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den damaligen Einsatzleiter der Kreispolizei Borken. Dieser schützte nicht die Versammlung vor dem aggressiven Autofahrer. Zudem erstattete der Einsatzleiter – trotz anderslautender Ankündigung vor Ort und ohne erkennbaren Grund – im Nachgang Strafanzeige wegen Nötigung gegen drei Versammlungsteilnehmer und nicht etwa gegen den Autofahrer. Die Kreispolizei Borken hat die Dienstaufsichtsbeschwerde in einer ersten Reaktion gleich weiter an die Staatsanwaltschaft Münster „zur rechtlichen Prüfung übersandt“. Damit könnten auch auf den Einsatzleiter Ermittlungen zukommen.
Zum Hintergrund: Am 18. September hatten sich rund 25 AtomkraftgegnerInnen vor dem Haupttor der Urananreicherungsanlage versammelt, um mit einer Trauermahnwache von einer langjährigen Kritikerin des Urananreicherers Urenco Abschied zu nehmen. Die Beerdigung sollte am selben Nachmittag im benachbarten Schüttorf stattfinden. Die Stimmung war naturgemäß sehr gedrückt. Urenco respektierte die kurze Trauermahnwache nicht und versuchte, ganz normal den Verkehr laufen zu lassen. Während die Lieferanten eine von den Versammlungs-teilnehmerInnen freigemachte Gasse nutzten, fuhr ein einzelner Autofahrer vom Gelände der UAA Gronau gezielt in die Menschenmenge und dabei gleich zweimal direkt auf TeilnehmerInnen zu. Die Situation war bedrohlich, weil der Autofahrer ganz offensichtlich provozieren wollte und dabei augenscheinlich auch Verletzte in Kauf nahm. Die anwesende Polizei versuchte zu keinem Zeitpunkt den Autofahrer zu mäßigen, obwohl das ihre Pflicht gewesen wäre.
Mehrere VersammlungsteilnehmerInnen wollten gegen den Autofahrer schon vor Ort Strafanzeige stellen. Dies geschah nicht, weil der Einsatzleiter der Polizei ankündigte, die Kreispolizei Borken werde von sich aus Strafanzeige gegen den aggressiven Autofahrer stellen. Dazu könnten die VersammlungsteilnehmerInnen gerne ihre Personalien als ZeugInnen angeben. Dieser Aufforderung folgten mehrere Personen. Tatsächlich stellte der Einsatzleiter die angekündigte Strafanzeige gegen den Autofahrer nicht, sondern zeigte nunmehr völlig überraschend drei der ZeugInnen wegen des Verdachts der Nötigung an.
„Wir sind empört, dass Urenco während der Trauerversammlung nicht den nötigen Respekt für eine bekannte Atomkraftgegnerin aufbrachte. Zugleich sind das Verhalten des Autofahrers und der Kreispolizei Borken absolut inakzeptabel. Niemand sollte einfach in eine Menschenmenge fahren. Dass der Einsatzleiter die VersammlungsteilnehmerInnen über seine Strafverfolgungs-Absichten grob getäuscht hat, macht die Sache noch schlimmer. Dieser Umgang mit dem Trauer-Protest ist sicherlich einer der Tiefpunkte seitens der Urenco und der Kreispolizei Borken in der jahrzehntelangen Auseinandersetzung um die Urananreicherung in Gronau. Die Anti-Atomkraft-Initiativen erwarten von der Staatsanwaltschaft Münster, vom Borkener Landrat Dr. Kai Zwicker sowie von NRW-Innenminister Herbert Reul umfassende Aufklärung und die sofortige Einstellung der skandalösen Verfahren gegen die Versammlungsteilnehmer,“ erklärte Udo Buchholz vom Arbeitskreis Umwelt (AKU) Gronau.