(Pressemitteilung) In mehreren Schreiben an AtomkraftgegnerInnen bestätigt die Bundespolizei erstmals ausdrücklich, dass es sich bei den Exporten von abgereichertem Uran aus der Urananreicherungsanlage Gronau nach Russland um Atommüll gehandelt hat. Wörtlich heißt es in den Ende September zugestellten Schreiben der Bundespolizeidirektion St. Augustin mit Bezug auf die Urantransporte vom 18. November 2019 und 5. Oktober 2020: „(…) im Rahmen eines Bahntransportes nuklearer Abfälle (organisiert durch die Firma Urenco) (…)“. Bislang hatte Urenco immer von „Wertstoff“ gesprochen, weil die Ausfuhr von radioaktiven Abfällen gemäß § 328 StGB verboten ist.
Aufgrund der neuen Sachlage hat ein Atomkraftgegner aus dem Münsterland nunmehr Strafanzeige wegen der „illegalen Ausfuhr von radioaktiven Stoffen“ gegen die Firma Urenco bei der Staatsanwaltschaft Münster eingereicht.
„15 Jahre lang hielt der Urananreicherer Urenco die Behauptung aufrecht, es handele sich bei den Uranmülltransporten von Gronau nach Russland um „Wertstoff“-Transporte. Doch in Russland lagert der Uranmüll nach Erkenntnissen der russischen Umweltorganisationen Ecodefense und Greenpeace Russland ohne jede Weiterverwertung auf Freiflächen unter offenem Himmel. Das ist ein lupenreiner Atommüllexport. Wir freuen uns sehr, dass die Bundespolizei dies nun offiziell bestätigt und erwarten von der Staatsanwaltschaft Münster ausführliche und zielgerichtete Ermittlungen,“ erklärte Peter Bastian vom Aktionsbündnis Münsterland gegen Atomanlagen.
Der diesjährige Träger des Alternativen Nobelpreises, Vladimir Slivyak von der russischen Umweltorganisation Ecodefense, ergänzte: „Wir wurden anscheinend jahrelang belogen – von Urenco und von der Bundesregierung. Doch nun bestätigt sich, was wir seit 2006 immer wieder gesagt haben: Das deutsche Uran aus Gronau ist Atommüll und wird nur nach Russland gebracht, um die teure Atommüll-Entsorgung in Deutschland zu vermeiden. Wir fordern nun von der deutschen Bundesregierung, dass es keine weiteren Exporte von Uran aus Gronau nach Russland geben wird. Russland ist nicht die atomare Müllkippe für Urenco.“
Die Anti-Atomkraft-Initiativen und der BBU fordern von der jetzigen und der kommenden Bundesregierung zudem ein Ende der Urananreicherung in Gronau, so wie es Bundesumweltministerin Svenja Schulze noch im März 2021 selbst verlangt hat. Sie hat dies jedoch in der Großen Koalition nicht durchgesetzt.
Zum Hintergrund der Uranmüllexporte:
Beim Betrieb der bundesweit einzigen Urananreicherungsanlage in Gronau fallen als Abfallstoff der Urananreicherung jährlich ca. 5000–6000 Tonnen abgereichertes Uran in Form von Uranhexafluorid (UF6) an. Zwischen 1995 und 2009 wurden insgesamt rund 27 000 Tonnen UF6 von Gronau nach Russland gebracht, von 2019 bis 2020 nochmal rund 18 000 Tonnen. Zielort in Russland war in den letzten Jahren die Atomanlage Novouralsk bei Jekaterinburg – eine der sog. „Geschlossenen Städte“ aus der Zeit der Sowjetunion.
Bereits seit 2006 protestieren die russische NGO Ecodefense sowie deutsche und niederländische Umweltinitiativen und Verbände gemeinsam gegen diesen unverantwortlichen Atommüllexport. Die Initiativen befürchten, dass bereits im kommenden Frühjahr – unmittelbar nach der Landtagswahl in NRW im Mai 2022 – eine neue Transportserie anstehen könnte, da die Lagerkapazitäten in Gronau schon wieder knapp werden.
Eine eigene Lagerhalle für Uranmüll auf dem Gelände der Urananreicherungsanlage Gronau ist zwar seit 2014 baufertig, wird aber von der Urenco nicht in Betrieb genommen, weil sich die Firma dann um die langfristige, schadlose – und damit teure – Entsorgung in Deutschland kümmern müsste.
Die Urenco gehört zu einem Drittel dem niederländischen und dem britischen Staat. Das deutsche Drittel teilen sich RWE und EON.
Die Uranreicherungsanlage in Gronau ist genau wie die Brennelementefabrik in Lingen bislang vom deutschen Atomausstieg ausgenommen, obwohl von hier fast jedes 10. AKW weltweit mit Uranbrennstoff versorgt wird. Anti-Atomkraft-Initiativen und Umweltverbände, aber auch Grüne, Linke und SPD-Umweltministerin Svenja Schulze, fordern deshalb schon seit längerem die Stilllegung dieser beiden Atomanlagen.
Gegen die Uranmüll-Transporte von Gronau via Amsterdam/Rotterdam nach Russland gab es in den vergangenen Jahren zahlreiche Protestaktionen, darunter mehrere Kletterproteste im Münsterland. Für den Polizeieinsatz bei den Kletteraktionen am 18.11.2019 und am 5.10.2020 möchte die Bundespolizei nunmehr von fünf Personen Kosten in Höhe von rund 10 000 Euro eintreiben. Die Betroffenen haben dagegen Widersprüche und Dienstaufsichtsbeschwerden eingereicht. Rückhalt und Unterstützung bekommen sie dabei von Anti-Atomkraft-Initiativen und Verbänden.