Erste Analyse des Ampel-Koalitionsvertrags – viele Fragen bei Atom und Klima ungeklärt

Zwei Dinge sind nach dem Studium des Ampel-Vertrags klar: In Sachen Atomausstieg fällt der Ampel-Koalition nichts Konkretes ein und das 1,5 °-Klimaziel wird höchstwahrscheinlich krachend verfehlt. Alles kommt nun auf die konkreten Regierungsmaßnahmen an. Hier eine erste Analyse:

1. Atomausstieg

a) Der einzig klare Hauptsatz steht auf S. 55: „Am deutschen Atomausstieg halten wir fest.“ Damit müsste eigentlich klar sein, dass auch die Urananreicherung in Gronau, die Brennelementefertigung in Lingen sowie der Reaktorbetrieb mit hochangereichertem, waffenfähigem Uran in München-Garching am Ende ist. Ausgesprochen wird es nicht. Aber die letzten 6 Atomkraftwerke gehen nun definitiv vom Netz – ohne jahrzehntelange Proteste wäre dies niemals erreicht worden! Hoffen wir, dass es bis Ende 2022 keinen gravierenden Störfall in den alternden und problematischen AKW gibt …

b) Auf S. 65 heißt es dann: „Wir stellen uns der Verantwortung für die radioaktiven Abfälle.“ Dieser Satz kann nur bedeuten, dass in Zukunft kein Uranmüll mehr von Gronau nach Russland oder sonstwohin exportiert werden kann. Ausgesprochen wird aber auch das nicht.

c) Etwas weiter steht: „Wir werden uns für eine Abschaltung der grenznahen Risikoreaktoren einsetzen.“ Dies kann nur bedeuten, dass diese Reaktoren – die nicht benannt werden – nicht mehr mit angereichertem Uran aus Gronau sowie Brennelementen aus Lingen beliefert werden. Alles andere wäre völlig inkonsequent. Und warum sollte Deutschland weiterhin Risikoreaktoren beliefern, die nicht „grenznah“ sind – also z. B. in Japan, China, Südkorea, Brasilien, Südafrika, Spanien, den USA, der Ukraine oder in Skandinavien? Dies alles sind Länder, die von Gronau und Lingen aus direkt oder indirekt beliefert werden.

d) Konkret fordert die Ampel aber die „zügige“ Fertigstellung und Inbetriebnahme von „genehmigten Endlagern“ und der dazugehörigen Atommüll-Logistikzentren. Das kann sich nach der Lage der Dinge nur auf den maroden Schacht Konrad und die gruseligen Atommüll-Pläne für Würgassen an der Weser beziehen. Von Neuanfang in der Standortsuche für die Atommüll-Lagererung mit breitest möglicher Öffentlichkeitsbeteiligung kein Wort. Auch das sehr heiße Thema Atomtransporte wird überhaupt nicht angeschnitten – wie soll das funktionieren, gerade im Fall von Konrad und Würgassen oder in Gronau und Lingen?

e) Kein Wort auch zu den Plänen von Urenco und anderen Firmen, neue, gefährliche Reaktorlinien zu bauen oder die Urananreicherung immer stärker Richtung Waffenfähigkeit hochzupushen – mit Uranzentrifugen, die in Jülich entwickelt werden.

Offensichtlich wird die Atompolitik weitgehend dem Einsatzwillen der/des kommenden Atomminister*in überlassen.

f) Atomwaffen: Immerhin gibt die Ampel die Total-Blockade des UN-Atomwaffenverbotsvertrags auf und strebt nun „Beobachter-Status“ an. Ein Beitritt wird jedoch weiterhin ausgeschlossen. Wie die Ampel so die angepeilte Welt ohne Atomwaffen erreichen will, bleibt offen. Auch der Abzug des US-Atomwaffen aus Deutschland wird nicht gefordert.

2. Kohleausstieg / Klima

Nicht nur die taz bezweifelt, dass die Ampel das 1,5 °-Ziel tatsächlich erreichen wird. Der Kohleausstieg soll „idealerweise“ bis 2030 kommen. Wir leben aber nicht in einer idealen Welt, der CO2-Ausstoß steigt in Deutschland sogar wieder – die Ampel ist mit ihren vagen Plänen deshalb schon jetzt ein Teil der Klimaprobleme, weil sie keine glasklaren Vorgaben macht, sondern Hintertüren formuliert.

Immerhin: Die Ampel will fünf der sechs Dörfer am Tagebau Garzweiler retten – das ist ein gutes Signal und ein großer Erfolg des Widerstands in der Region. Über Lützerath sollen jedoch die Gerichte entscheiden, in diesem Fall das OVG Münster. In Münster gab es gestern schon die erste Protestaktion.

Der angepeilte Ausbau der Erneuerbaren wird zudem durch die Pläne für neue Gaskraftwerke abgedreht. Öffnet die nächste Bundesregierung damit dem klimaschädlichen Fracking Tür und Tor? Auch dazu kein Wort. Auch die Kohleimporte aus Russland, Kolumbien und anderen Ländern sind der Ampel keine Erwähnung wert.

Und wo bleibt die Verkehrswende??

Es bleibt also viel Arbeit für die Klimabewegung – die kommenden Wochen und Monate werden zeigen, wohin die Weichen konkret gestellt werden. Dazu bedarf es viel Protest auf der Straße. Es ist ein Armutszeugnis, dass viele entscheidende Fragen im Ampel-Vertrag einfach offengelassen werden und somit am Ende tatsächlich Gerichte und eine wachsame und ungeduldige Öffentlichkeit den Klima-Job der Regierung übernehmen müssen. Das war schon in den vergangenen Jahren so und wird sich anscheinend unter der Ampel nicht ändern.

Bereits am Sonntag, 5.12., gibt es um 13 Uhr eine Kundgebung an der UAA Gronau sowie eine Demo in Lützerath. Wir lassen nicht locker!