‚Exportverbot‘ für Atommüll könnte über 450 Castor-Exporte erlauben

Im Rahmen der Novellierung des Standortauswahlgesetzes (StandAG) soll das Atomgesetz (AtG) um ein Exportverbot für Atommüll aus Forschungsreaktoren ergänzt werden. Das Bundesministerium für Forschung und Bildung spricht beim AVR Jülich ständig von einem Forschungsreaktor (obwohl es keiner ist) und das Gesetz enthält gravierende Ausnahmen, die auf die Castoren des AVR Jülich und des THTR Hamm zugeschnitten sind. Damit konterkariert das Gesetz die Empfehlung der Endlagerkommission sowie den rot-grünen Koalitionsvertrag der NRW-Landesregierung, der Castor-Exporte aus Jülich ausschließt! Ebenso wird suggeriert, dass Castortransporte von Jülich nach Ahaus notwendig seien, um Castorexporte von Jülich in die USA zu verhindern! Das Bündnis gegen Castor-Exporte hat das Gesetz ausführlich analysiert:

Positionspapier des Bündnisses gegen Castor-Exporte zur Stand-AG-Novellierung

‚Exportverbot‘ in StandAG-Novelle ermöglicht Export von über 450 Castorbehältern!

Stoppen Sie das neue Atomgesetz und damit die Erlaubnis für Castor-Exporte!


 Im Rahmen der Novellierung des Standortauswahlgesetzes (StandAG) soll als Artikel 2 das Atomgesetz (AtG) im § 3 um ein Exportverbot für Atommüll aus Forschungsreaktoren ergänzt werden. Diese Ergänzung enthält aber gravierende Ausnahmen, die den Export der Jülicher Castoren in die USA erlauben könnten.

Damit widerspräche die Atomgesetz-Änderung der eindeutigen Empfehlung der Endlagerkommmission, jeglichen Atommüllexport eindeutig zu verbieten sowie dem rot-grünen Koalitionsvertrag der nordrheinwestfälischen Landesregierung, in dem für die 152 Jülicher Castoren lediglich nur noch ein Transport in ein (noch zu findendes) Endlager vorgesehen ist.

Der AVR Jülich war ein Prototypreaktor (Kugelhaufen-HTR) zur Stromerzeugung (= Leistungsreaktor), der von zahlreichen Elektrizitätsversorgern betrieben wurde, er war keineswegs ein Forschungsreaktor (= Neutronenquelle), wie durch 2 Gutachten bereits in 2015 dargelegt wurde. Das Bundesministerium für Forschung und Bildung spricht immer vom Forschungsreaktor in Jülich – setzt sich das Forschungsministerium mit dieser Umdefintion durch, ermöglichen passgenaue Ausnahmen den Atommüllexport:

Die im Gesetz formulierte Ausnahme zur Herstellung von endlagerfähigen Atommüllgebinden im Ausland (Satz 2) ermöglicht damit den Export der 152 AVR-Castoren aus Jülich und der 305 THTR-Castoren aus Hamm in die USA. Die deutsche Atomindustrie mit ihrer Kugelhaufen-Lobby scheut die kostenintensive Konditionierung, denn dieser Atommüll hat ein 50-fach größeres Volumen als der „normale“ Atommüll. Dies würde  in Savanna River Site (SRS) in den USA  geschehen, wobei das enthaltene radioaktive C-14 (Kohlenstoff-Isotop 14) als radioaktives Kohlenstoffdioxid in die Umwelt abgebeben würde, ein nach deutschen und europäischen Umweltstandards undenkbares Verfahren! Demnach würden 98% des Atommüllvolumens in den USA in die Umwelt abgegeben werden. 2% des Atommüllvolumens mit den hochradioaktiven Stoffen (Metall-Isotope) kämen nach Deutschland zur Endlagerung zurück! Diese Gesetzeslücke wäre mit zahllosen, riskanten Atomtransporten verbunden! (Details s.u.)

Die geplante AtG-Änderung in § 3 Absatz 6 Satz 3, dass nämlich Castoren in genehmigten Zwischenlagern nicht exportiert werden dürfen, ist extra auf den Export der Jülicher Castoren zugeschnitten, da diese in einem nicht genehmigten Zwischenlager lagern! Einerseits wird so die Notwendigkeit von Castortransporten von Jülich nach Ahaus suggeriert. Andererseits wären sogar Castor-Exporte aus Jülich ohne jegliche Rücknahme von Atommüll zur Endlagerung in Deutschland möglich! Weiterhin umfasst Satz 3 nicht den Export zur Herstellung endlagerfähiger Atommüllgebinde im Ausland und ermöglicht so den Export von AVR/THTR-Castoren von Ahaus in die USA mit den oben beschriebenen Umweltfolgen.

Grundsätzlich ermöglicht der Gesetzesentwurf ferner Castor-Exporte mit der pauschalen Begründung, um die Verbreitung von atomwaffenfähigen Material zu verhindern – auch damit dürften der THTR-Abfall sowie Castorbehälter aus den klassischen Forschungsreaktoren Rossendorf oder München-Garching unter Umständen exportiert werden!

Wir fordern:

  • Eindeutiges gesetzliches Verbot jeglicher Atommüllexporte!
  • Keine Umdefinition des AVR Jülich und des THTR Hamm in Forschungsreaktoren!
  • Betreiber und Entwickler der Kugelhaufen-Reaktoren sowie zuständige Ministerien müssen endlich Verantwortung für die Kugelbrennelemente übernehmen!
  • Neubau eines möglichst sicheren Zwischenlagers für die Castoren in Jülich!

Hintergründe zur Bearbeitung des AVR/THTR-Atommülls in den USA:

Die Atomkugeln von Kugelhaufenreaktoren werden häufig als Brennelemente bezeichnet, aber das trifft nur bedingt zu: Kernbrennstoffpartikel und ihre Umhüllungen, also die eigentlichen Brennelemente, machen nur etwa 2 Vol.-% einer Atomkugel aus, 98 % sind Graphit, der als Moderator (Neutronenbremse) dient. Hier liegt ein Problem der Endlagerung von Atomkugeln, denn durch die feste Verbindung von Moderator und Brennstoff wird das Volumen des Atommülls gewaltig – etwa im Vergleich zu Leichtwasserreaktoren, bei denen der Moderator Wasser immer getrennt von den Brennelementen vorliegt. Ein weiteres Problem beim AVR Jülich liegt darin, dass viele Atomkugeln eine Havarie des Reaktors erlebt haben, bei denen große Mengen an Radioaktivität in den Graphitmoderator gewandet sind. Außerdem enthält der Graphitmoderator viel radioaktives langlebiges Kohlenstoff-14 (Halbwertszeit 5730 Jahre).

Um ein endlagerfähiges Produkt aus den AVR-Atomkugeln zu erhalten, sollen die Atomkugeln in den USA bei hohen Temperaturen entweder verbrannt, oder in Wasserdampf vergast werden, wobei der eigentliche Brennstoff zurückbleiben soll und der Graphit als CO2 abgegeben wird. Angesichts des Radioaktivitätsinventars handelt es sich um hochriskante Prozesse, die in der EU so längst nicht mehr zulässig oder durchsetzbar wären, sondern nur noch in der Anlage Savanna River Site (SRS) der USA – einer Militäranlage, die nicht unter Kontrolle der internationalen Atomenergiebehörde steht.

Selbst wenn die skizzierten Aufbereitungsvorgänge wie geplant ablaufen, muss der radioaktive Kohlenstoff-14 dabei vollständig in die Umgebung abgegeben werden, da er sich nicht vom nichtradioaktiven CO2 abtrennen lässt. Danach werden die Verbrennungs-/Vergasungsrückstände und die Filterstäube verglast und verbleiben entweder in den USA (direkter Export aus Jülich nach Atomgesetz §3, Absatz 6, Satz 3) oder werden nach Deutschland zurückgebracht (Export mit dem Ziel der Konditionierung nach Atomgesetz §3, Absatz 6, Satz 2). Direkter Export und Export zur Konditionierung unterscheiden sich also nur im letzten Schritt. Entscheidend ist, dass sowohl beim direkten Export in die USA als auch bei dortiger Konditionierung von Atomkugeln die eigentlichen Risiken, die wie dargestellt im Behandlungsprozess liegen, exportiert werden. Die Rücknahme der Kokillen durch Deutschland ändert daran kaum etwas, denn dabei würde es sich nur um etwa 0,1 % des deutschen wärmeentwickelnden Abfalls handeln. Hinzu kommen bei Konditionierung in den oder Export in die USA erhebliche Transportrisiken.

Ein weit weniger riskantes Konditionierungsverfahren ohne Abtrennung des Graphits wäre auch in Deutschland möglich, allerdings würde das endzulagernde Müllvolumen dabei nicht so drastisch vermindert.