(Dieser Artikel wurde am 02.08.18 überarbeitet). Die Aachener Nachrichten berichteten in einem Artikel mit dem Vorsitzenden der deutschen Reaktorsicherheitskommission (RSK), Rudolf Wieland, dass Tihange 2 und Doel 3 sicher seien – damit verdrehten Sie trotz Wielands besseren Wissens die Aussage der RSK-Stellungnahme
zu den Riss-Reaktoren und Wieland musste danach auch noch zugeben, dass einige RSK-Mitglieder an der Stellungnahme mitgearbeitet haben, die hauptberuflich für EDF Framatome arbeiten und damit ein großes Interesse am Weiterbetrieb der Riss-Reaktoren haben. Und was machen Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) und NRW-Ministerpräsident Laschet (CDU)? Sie schweigen, damit sie sich nicht weiter mit den gefährlichen belgischen Reaktoren beschäftigen müssen.
- kurze Zusammenfassung
- 1. Teil: Die RSK-Stellungnahme – kein Beleg für Sicherheit!
- 2. Teil: Die RSK – „Ehrenamtler“ aus der Atomindustrie
Die Sachlage in Kurzform:
- die Reaktorsicherheitskommission (RSK) berät das Bundesumweltministerium (BMU) und legt damit die Grundlage für Entscheidungen und Arbeitsweisen des BMU
- die RSK-Stellungnahme macht keine Aussage über die Sicherheit von Tihange 2 und Doel 3, sondern lediglich über die Unterlagen der belgischen Atomaufsicht zur Anzahl und möglichen Entstehung der vielen Risse im Reaktordruckbehälter
- einige der RSK-Mitglieder arbeiten für den französischen Atomkonzern EDF Framatome (ehemals Areva)
- dieser betreibt die Brennelemente-Fabrik in Lingen und beliefert von dort die belgischen AKW, außerdem betreibt der Konzern in Erlangen einen Standort zur Modernisierung von AKW und hat umfangreiche Modernisierungs-Aufträge aus Doel 1 + 2,
- der EDF Framatome-Vorgänger in Erlangen hat die Riss-Reaktoren in Belgien (mit)gebaut
- EDF Framatome hält ca. 10% an den AKW Tihange 2, Doel 1,2 & 3
Damit müssten solche RSK-Mitglieder als befangen gelten, wenn es um die Bewertung belgischer AKW geht. Gemeinsam mit anderen Anti-Atom-Initiativen werden wir weiter Druck auf das BMU und die NRW-Landesregierung machen, damit sie sich bei den Belgiern weiter für eine Stilllegung der AKW einsetzen, statt diese stillschweigend zu dulden.
Ausführliche Recherche zur Arbeit und Befangenheit der RSK
1. Die RSK-Stellungnahme – kein Beleg für Sicherheit!
Noch auf Anforderung der früheren Bundesumweltministerin Hendricks hatte die Reaktorsicherheitskommission von der belgischen Atomaufsicht Fanc Unterlagen und Auskünfte zu den Riss-Reaktoren Tihange 2 und Doel 3 angefordert und ausgewertet (zur RSK-Stellungnahme). Eigene Untersuchungen und Prüfungen nahm die RSK nicht vor! Auch Studien der internationalen INRAG unter Mitarbeit renommierter Forscher wie Prof. Jaczko wurden nicht von der RSK berücksichtigt – lediglich Unterlagen der belgischen Atomaufsicht und des Betreibers. Und diese taten sich in der Vergangenheit nicht gerade durch lückenlose Archivierung und Datenweitergabe hervor. Bei Durchsicht der belgischen Unterlagen kam in einer ersten Kurzfassung 2016 heraus, dass „es keine konkreten Hinweise gibt, dass die Sicherheitsabstände aufgezehrt sind. Es konnte aber auch nicht bestätigt werden, dass diese sicher eingehalten werden.“. Die aktuelle Analyse der Unterlagen schließt mit den Worten, dass die „meisten offenen Fragen geklärt werden (konnten) […] jedoch die Frage bezüglich einer ausreichenden experimentellen Absicherung der Berechnungsmethoden für Rissfelder“ offen bleibt. Die RSK geht zwar davon aus, dass weitere Untersuchen diese experimentelle Absicherung zukünftig sichern werden – bis dahin bleibt aber diese Frage offen! Inhaltlich kommt die RSK lediglich zu der eindeutigen Aussage, dass die unzähligen Risse im Reaktordruckbehälter schon seit dem Bau der Reaktoren vorhanden sind (weshalb sie eigentlich gar nicht den üblichen Vorschriften bezüglich der Stahlqualität entsprechen) und sich nicht durch den Betrieb vergrößert haben. Die belgische Atomaufsicht und somit die RSK können somit zwar rechnerisch plausibel erklären, wie die erhöhten Anzahlen der Risse durch unterschiedliche Messmethoden zu stande kommen. Sie können aber nicht eindeutig widerlegen, dass die Risse während des Betriebs nicht doch mehr geworden sind, da die Messmethode jedes mal verändert und nicht nochmal zusätzlich nach der alten Methode gemessen wurde. Dass die RSK allein diese Feststellung dazu nutzt, zu sagen, man könne nun nicht mehr die Stilllegung der Riss-AKW fordern ist irreal, denn: Ob die Festigkeit der Reaktordruckbehälter tatsächlich gegeben ist – unabhängig, wann die Risse entstanden sind, wird von der RSK gar nicht untersucht.
Den Aachener Nachrichten/ der Aachener Zeitung (zum Artikel) verkaufte der RSK-Vorsitzende Rudolf Wieland die Stellungnahme aber offenbar als Studie für die Sicherheit der Riss-Reaktoren – was wiederrum scharfe Kritik des Chefs der Baden-Württembergischen Atomaufsicht, Gerrit Niehaus, hervorrief: „Dass das Vorgehen der belgischen Behörde plausibel ist, wie ihr die RSK bescheinigt, und sich die Zahl der offenen Punkte reduziert habe, genügt nicht, die betroffenen Kernkraftwerke als hinreichend sicher einzustufen.“ (zum Artikel). Weiter heißt es in dem offenen Brief von Herrn Niehaus an Herrn Wieland: „Zu einer Bestätigung der sicherheitstechnischen Unbedenklichkeit der in Tihange und Doel festgestellten Wasserstoff-Flocken-Risse ist die RSK also nicht gekommen; sie durfte es aber auch gar nicht, weil sie einen unzureichenden Beurteilungsmaßstab herangezogen hat.“ Dabei hat die RSK ganz zufällig „übersehen, dass sich mit der Feststellung der Herstellungsbedingtheit die Genehmigungsfrage stellt.“ Es ist also laut Baden-Würrtembergischer Atomaufsicht egal, ob die Risse bereits von Beginn an bestanden, oder in den letzten Jahren entstanden sind, denn die Risse im Reaktordruckbehälter entsprechen nicht den Kritierien der Gehmigungsfähigen Sicherheitsmaßsstäbe.
Außerdem verunglimpfte Wieland in den Aachener Nachrichten andere Autoren früherer Stellungnahmen zu den Riss-Reaktoren als inkompetent und bedauerte, warum er als kompetenter Experte nicht früher zu den Riss-Reaktoren gefragt worden sei… Herr Niehaus äußerte sich dazu wie folgt: „Gerade wenn der Vorsitzende eines nichtöffentlich tagenden wissen-schaftlichen Beratungsgremiums sein Privileg als Vorsitzender nutzt und öffentlich zu eigenen Stellungnahmen äußert, sollte er sich um Objektivität bemühen.“ Dass Herr Niehaus Wielands Vorgehensweise mit „Panik“ und „Provokationen“ durch Medien und Atomkraftgegner erklärt, macht die RSK-Stellungnahme nicht besser, zumal Herr Niehaus nochmal ganz klar darauf hinweist, dass die RSK-Stellungnahme zwar plausibel macht, dass die Gefahr durch die Risse zwar nicht so hoch sein muss, wie befürchtet, aber das „Risiko eines katastrophalen Unfalls ist nicht mit der Sicherheit ausgeschlossen, die Recht und Gesetz verlangen“. Hier muss also gelten: Im Zweifel lieber Abschalten! Und dieser Grundsatz hat nichts mit Panik-Mache zu tun, sondern erklärt sich mit gesundem Menschenverstand und ist auch eigentlich so in Genehmigungsverfahren vorgesehen. Aber hier arbeiten offfenbar Genehmigungsbehörden und Atomindustrie Hand in Hand…
Die RSK – „Ehrenamtler“ aus der Atomindustrie
Die Reaktorsicherheitskommission besteht aus 16 Personen in ihrem Hauptgremium, die diese Aufgabe ehrenamtlich wahrnehmen. Sie werden vom Bundesumweltministerium in die RSK berufen. Schaut man sich die Liste der RSK-„Ehrenamtler“ mal durch, erkennt man, dass zahlreiche Mitglieder entweder noch für Atomkonzerne tätig sind, an ehemaligen AKW-Projekten beteiligt waren oder für den TÜV arbeiten.
Die RSK-Stellungnahme wurde grundlegend vom Unterausschuss „Druckführende Komponenten und Werkstoffe“ (DKW) erarbeitet. Darin sitzen Mitarbeiter der AKW Neckarwestheim, Unterweser, Philippsburg sowie des Atomkonzerns Framatome (gehört zum französischen Staatskonzern EDF) aus Erlangen. An dieser Stelle sollte man sich bereits fragen, was Mitarbeiter eines französischen Atom-Konzerns in dem Beratungsgremium eines deutschen Ministeriums zu suchen haben, wenn dann sowohl von belgischen/ französischen und deutschen Behörden darauf verwiesen wird, dass sich dieses deutsche Ministerium nicht zu sehr in Sicherheitsdiskussionen über belgische AKW genau von diesem französischen Konzern einmischen oder Brennelemente-Lieferungen untersagen dürfe…
Für EDF/Framatome sitzen der Standortleiter von Erlangen, Rainer Hardt, sowie die Erlangener Framatome-Mitarbeiterin Dr. Renate Kilian im Unterausschuss DKW. Frau Kilian ist auch im RSK-Hauptausschuss. Beruflich und wissenschaftlich arbeitete Frau Kilian auch mit Frank Otembra und Uwe Jendrich zusammen, die ebenfalls im DKW-Ausschuss sitzen.
Uwe Stoll und Uwe Waas waren langjährige Mitarbeiter von Framatome bzw. der Vorgängerfirma Areva und sitzen ebenfalls im RSK-Hauptausschuss. Da die RSK mit einfacher Mehrheit und nicht-öffentlich entscheidet, sind auch einzelne Stimmen von großem Gewicht, zumal in dem besagten Ausschuss ohnehin fast nur Mitarbeiter von Atomkonzernen und den traditionell durch Aufträge eng verbundenen TÜV Nord/Süd sowie der Gesellschaft für Reaktorsicherheit (eine gGmbH von TÜV und Bundesumweltministerium) sitzen.
Die RSK und Framatome – direkte Unterstützung für belgische AKW
Die Framatome GmbH aus Erlangen gehört zum französischen Staatskonzern EDF und hieß früher Areva bzw. Areva NP (und baute ganz früher als Kraftwerksunion/ Siemens die deutschen AKW). Dieses Unternehmen war maßeglich am Bau der belgischen AKW beteiligt gewesen, auch bei Tihange 2 und Doel 3, hier offenbar allerdings nicht an den beiden Riss-Reaktordruckbehälter selber (Areva, Spiegel). Hauptgeschäftsfeld von Framatome ist die Wartung und Modernisierung von AKW weltweit. Die ehemaligen Mitarbeiter Uwe Stoll und Uwe Waas haben kurz nach Fukushima für Areva ein Paper erstellt, dass ein Fukushima-Unglück in deutschen AKW nicht möglich sei und durch eine ausführliche Analyse der Fukushima-Katastrophe Areva in der Lage sei, alle AKW auf einen modernen Stand zu bringen (zum Paper). 2015 lieferte der Framatome Vorgänger Areva einen neuen Deckel für den Reaktordruckbehälter von Doel 4. Framatome erhält immer noch Aufträge zur Instandhaltung und Modernisierung der belgischen AKW, aktuell für neue Sicherheitsleittechnik in den Reaktorblöcken Doel 1 + 2 (Framatome-PM).
Ein Tochterunternehmen von Framatome betreibt als Framatome Advanced Nuclear Fuel in Lingen die Brennelementefabrik. Diese beliefert belgische AKW, auch die Riss-Reaktoren Tihange 2 und Doel 3 aus der RSK-Stellungnahme!
Der Framatome Mutterkonzern EDF besitzt an den beiden Riss-Reaktoren Tihange 2 und Doel 3 jeweils 10,2% und verdient damit selber am Weiterbetrieb dieser AKW. An Tihange 1 hält der Konzern 50% der Anteile – der Weiterbetrieb dieses AKW dürfte ebenfalls gesichert sein, wenn selbst Tihange 2 nun als sicher proklamiert wird.
Die RSK und die deutschen Atomkonzerne – Aufträge für Urenco sichern
Mehrere Personen der RSK arbeiten für EON/Preussen Elektra, so der AKW-Leiter von Brokdorf Uwe Jorden und Detlef Fuchs. EON ist Anteilseigner des Gronauer Urananreicherers Urenco, der wiederum angereichertes Uran für die belgischen AKW liefert und damit ebenfalls am Weiterbetrieb der belgischen Pannenreaktoren interessiert ist.
Die RSK und der TÜV – lukrative Gutachter-Aufträge
Weiter muss man anmerken, dass Rudolf Wieland langjähriger Geschäftsführer des TÜV Nord war. Seine Nachfolgerin ist Astrid Petersen, die ihre berufliche Karriere ebenfalls bei Areva/ Frametome in Erlangen begann. Alle TÜV-Gesellschaften gehören anteillig einem Technischen Überwachungs-Verein e. V., der eine Selbsthilfe-Organisation der deutschen Wirtschaft ist und vom Staat mit bestimmten Überwachungsaufgaben betraut ist. Weitere Anteile der TÜV-Gesellschaften gehören anderen Eignern. Wie sehr TÜV-Gesellschaften als Wirtschaftsbetriebe und nicht als unabhängige Kontroll-Institutionen wirken wird am TÜV Nord deutlich: Der TÜV Nord wirbt unter dem Label „TÜV Nord Nuclear“ um internationale Kunden, darunter nicht nur Genehmigungs- und Aufsichtsbehörden wie in Deutschland, sondern auch direkt um AKW-Betreiber und Atomkonzerne. Gleiches gilt für den TÜV Süd, für den Gutachten zu AKW eine wichtige Einnahme-Quelle darstellen (Kontraste).
Die zahlreichen TÜV-Mitarbeiter in der RSK können mit derlei RSK-Stellungnahmen und der Presse-Arbeit Wielands quasi Werbung für Gutachten der TÜV Nord Nuclear und der entsprechenden TÜV Süd-Abteilung machen.
Alle Quellen in der Übersicht (zulestzt abgerufen am 30.07.2018):
http://www.rskonline.de/sites/default/files/reports/epanlagersk503hp.pdf
http://www.aachener-zeitung.de/lokales/region/studie-belgiens-reaktoren-sind-sicher-1.1937158
http://www.rskonline.de/de/ausschuesse
http://www.rskonline.de/de/zusammensetzung
https://www.researchgate.net/profile/Renate_Kilian
http://gfkorr.de/gfkorr_media/Flyer_JT+17_rev-p-2880.pdf
http://www.rskonline.de/de/stoll
http://www.rskonline.de/de/waas
https://www.rbb-online.de/kontraste/ueber_den_tag_hinaus/umwelt/atomlobby_beeinflusst_politik.html
http://de.areva.com/mini-home/liblocal/docs/Info-Bereich/Betriebsergebnisse_2014_dt.pdf
https://www.rbb-online.de/kontraste/ueber_den_tag_hinaus/umwelt/atomlobby_beeinflusst_politik.html