Russisches Atomschiff wieder mit Uran in Rotterdam: Anti-Atomkraft-Initiativen erwarten Uranlieferung für Lingen: „Kanzler Merz muss Atomgeschäfte mit Kreml beenden“

Update 24. Juni: Große Überrraschung – die Baltiyskiy 202 schipperte nach ihrem „Besuch“ im Rotterdamer Hafen am 9./10. Juni nicht direkt zurück nach St. Petersburg, sondern lag ganze zwei Wochen in den Wartezonen unmittelbar vor der Rotterdamer Hafen auf Reede. Und gestern Abend fuhr sie erneut in den Rotterdamer Hafen ein – zum Kai im Waalhaven. Dort hat anscheinend eine weitere Entladung stattgefunden, da der Tiefgang des Schiffes laut „Vesselfinder“ etwas geringer als vorher ist. Nun ist die Baltiyskiy 202 tatsächlich auf dem Rückweg nach St. Petersburg.

Es ist zur Zeit noch völlig unklar, warum das Schiff auf derselben Tour gleich zweimal in den Rotterdamer Hafen einfuhr und dabei unterschiedliche Anleger benutzte. Und was hat diese lange Wartezeit unmittelbar vor dem Hafen zu bedeuten? Hat die erste Ent- oder Beladung vor zwei Wochen vielleicht nicht richtig funktioniert? Gab es Probleme mit dem Transit von/nach Lingen? Hier sind wieder einmal viele Fragen offen, weil das alles natürlich ohne jede Transparenz läuft.

10. Juni: Wie bereits seit einigen Tagen klar hat der russische Atomfrachter „Baltiyskiy 202“ am Pfingstsonntag (8. Juni) von St. Petersburg aus Rotterdam erreicht. Unter anderem die Deutsche Presse Agentur berichtete. Zunächst ging der Frachter vor der Hafeneinfahrt vor Anker, am Pfingstmontag legte er dann am Europa-Rhenus-Oost-Kai an und verließ den Hafen heute wieder. Wir rechnen für heute oder morgen mit einer entsprechenden Lieferung von angereichertem Uran per LKW für die Brennelementefabrik im emsländischen Lingen. Die Baltiyskiy 202 nutzt den Hafen von Rotterdam nahezu ausschließlich für die Versorgung der deutschen Brennelementefabrik mit russischem Uran. Gemeinsam mit anderen Anti-Atomkraft-Organisationen erneuern wir deshalb unsere Forderung an Bundeskanzler Friedrich Merz, für ein Ende der verantwortungslosen Atomgeschäfte mit dem Kreml zu sorgen. So kann der Kanzler eine der gravierendsten Lücken im Sanktions-Regime gegenüber dem Kreml schließen.

Die „Baltiyskiy 202“ ist auch den Sicherheitsbehörden inzwischen wohlbekannt: Im Oktober 2024 unterbrach der Atomfrachter in der Ostsee im Seegebiet eines Unterseekabels zwischen Lettland und Schweden für rund 24 Stunden seine reguläre Fahrt nach St. Petersburg und zog mit langsamer Geschwindigkeit exakt über dem Unterseekabel eine Schleife. Erst als sich ein Kriegsschiff der Nato mit hoher Geschwindigkeit näherte, setzte der Uranfrachter seine Fahrt nach Russland fort. Drei Monate später wurde just dieses Unterseekabel zum Ziel eines Sabotageaktes.

Framatome verharmlost Atom-Deals mit Putin

Zudem kritisieren wir Versuche des Betreibers der Brennelementefabrik in Lingen, des französischen Atomkonzerns Framatome, die Bedeutung und das Ausmaß der Kooperation mit dem Kreml-Atomkonzern Rosatom herunterzuspielen. So bezieht Framatome nicht nur in wachsendem Ausmaß Uran aus Russland für die Brennelementeherstellung − in 2024 waren die Importe gegenüber 2023 laut Niedersächsischem Umweltministerium um enorme 66% gestiegen. Framatome will darüber hinaus sogar die Brennelementeherstellung in Lingen in Zukunft durch ein Joint Venture gemeinsam mit Rosatom vorantreiben. Der Lingener Brennelementehersteller möchte sich zur Herstellung „russischer“ Brennelemente für Osteuropa ausgerechnet bei Rosatom das technische Know-How einkaufen und macht sich so vom Kreml direkt abhängig. Die anvisierte Zusammenarbeit geht weit über die bisherigen Lieferverträge hinaus und soll zeitlich unfristet laufen. Atomspezialisten von Rosatom waren dafür im Frühjahr 2024 bereits zu Schulungszwecken und zum persönlichen Kennenlernen der Framatome-Mitarbeiter in Lingen.

Die Ankunft der Baltiyskiy 202 zeigt, wie dringend das Problem der Atomgeschäfte zwischen Deutschland und dem Kreml ist. Framatome setzt in Lingen massiv auf russisches Uran und für das anvisierte Joint Venture auch auf russisches Know-How und russisches Fachpersonal. Anstatt von Russland unabhängig zu werden, verstrickt sich Framatome in Lingen immer weiter in die geopolitischen Atomprojekte von Präsident Putin. Wenn Kanzler Merz nicht endlich ein Ende dieser Atomgeschäfte mit dem Kreml verfügt, wird der Einfluss von Rosatom hier vor Ort immer weiter wachsen. Wir fordern deshalb endlich ein klares Stopp-Signal für sämtliche Atom-Kooperationen mit dem Kreml!

Die Sicherheitsbehörden warnen ständig vor den wachsenden hybriden Bedrohungen durch Spionage und Sabotage. Doch im Emsland wird einfach weggeschaut, wenn Atomspezialisten von Rosatom (deren Führungspersonal mit den russischen Geheimdiensten verstrickt ist) sogar persönlichen Kontakt zu Mitarbeitern der Brennelementefabrik aufnehmen können. Von daher erwarten wir auch vom Niedersächischen Umweltministerium eine klare Ablehnung des Antrags zur intensiven Zusammenarbeit mit Rosatom!