Lingener Atomkraftgegner*innen von Polizei beschattet – Beschwerde beim NI-Innenministerium

Der Anmelder und der Versammlungsleiter einer Mahnwache vor der Brennelementefabrik in Lingen am 19. August anlässlich eines Urantransports aus Russland haben sich jetzt mit einer Beschwerde an das niedersächsische Innenministerium in Hannover gewandt. Sie wollen Auskunft darüber, warum Polizeikräfte aus Lingen schon während der Versammlung von Versammlungsteilnehmer*innen Auskünfte über andere Teilnehmer*innen einholen wollten. Im Anschluss wurden dann mehrere Versammlungsteilnehmer*innen über Stunden quer durch die Stadt von Polizeifahrzeugen begleitet, zum Teil bis nach Hause oder bis zum Orts-Ausgangsschild. Auch ein Treffen von Anti-Atomkraft-Initiativen mit der Bundestagsabgeordneten Filiz Polat im Stadtzentrum von Lingen stand im polizeilichen Fokus. Es wurde unter anderem auf dem Parkplatz des Tagungsortes ein Einsatzfahrzeug stationiert, um die Fahrzeuge der Teilnehmer*innen im Auge zu behalten. Von dort aus verfolgte die Polizei dann einige Teilnehmer*innen weiter durch die Stadt.

Die Atomkraftgegner*innen weisen das Innenministerium nunmehr darauf hin, dass ein solches polizeiliches Ausforschungs- und Observationsverhalten unzulässig ist und einen einschüchternden Charakter hat. Wenn Teilnehmer*innen einer Versammlung im Anschluss bis nach Hause oder quer durch die Stadt „begleitet“ werden, kann das dazu führen, dass sie womöglich in Zukunft von einer Teilnahme an derartigen Versammlungen abgeschreckt werden. Das aber ist nach dem wegweisenden Brokdorf-Urteil des Bundesverfassungsgerichts klar rechtswidrig. Und Gespräche mit Bundestagsabgeordneten dürfen generell nicht beobachtet, beschattet oder kontrolliert werden. Die Atomkraftgegner*innen wollen nun wissen, was konkret mit welcher Begründung bei welcher Dienststelle und Behörde im Zusammenhang mit den Einsätzen am 19. August gespeichert wurde – und wer die Observationen überhaupt aus welchem Grund veranlasst hat. Es wurde Akteneinsicht beantragt.

Es ist wahnsinn, welchen Aufwand die Polizei Lingen am 19. August 2024 betrieben hat, um alle Aktivitäten der Versammlungsteilnehmer*innen während und nach der Mahnwache im ganzen Stadtgebiet zu beobachten. Nicht einmal das Gespräch mit der Bundestagsabgeordneten war noch privat. Eine Entschuldigung des Innenministeriums und entsprechende Stellungnahme ist das Mindeste! Hier zeigen sich mal wieder die uralten Seilschaften zwischen Atomindustrie und Staatsmacht, die kritische Menschen als Gefahr betrachten statt die Atomanlagen und Putins Handlanger!

Zudem wollen die Atomkraftgegner*innen vom Innenministerium in Hannover wissen, ob und wenn ja welche Maßnahmen die niedersächsischen Sicherheitsbehörden getroffen haben, um die Rosatom-Mitarbeiter zu überprüfen, die schon im Frühjahr in einem ehemaligen Möbelhaus unweit der Brennelementefabrik in Lingen zusammen mit Framatome-Mitarbeitern ohne Genehmigung eine Anlage zur Herstellung von „russischen“ Brennelementen errichtet haben. Wie ein Ortstermin ergab, ist das ehemalige Möbelhaus nicht einmal durch einen Zaun geschützt.

Ganz im Gegensatz zum polizeilichen Eifer bei der Beobachtung von Atomkraftgegner*innen in Lingen steht das völlige Desinteresse an der Tätigkeit von Rosatom-Mitarbeitern, die hier völlig ungestört und unkontrolliert neue sicherheitskritische nukleare Infrastruktur errichtet haben. Während in Brunsbüttel und auf dem NATO-Stützpunkt Geilenkirchen Großalarm wegen Spionage- und Sabotage-Verdacht ausgelöst wurde, schauen die Sicherheitsbehörden in Lingen offenbar einfach weg. Das ist alarmierend und kann dem Land schnell auf die Füße fallen!