Der bayrische Atom-Alptraum – von Garching bis Framatome

Ausgangslage:

Noch 2011 gab es fünf große Leistungsreaktoren in Bayern. Bayern setzte ähnlich wie Frankreich ganz massiv auf Atomkraft und möchte auch aktuell gerne die Atomkraft weiternutzen. Da sind sich CSU, FDP und Freie Wähler einig. Dieses Festhalten an Atomkraft hat bis heute zum Beispiel den Umbau Richtung Erneuerbare stark behindert. Bayern ist bei Windkraft weit abgeschlagen – hat dafür aber einige zentrale Atomkonzerne im Freistaat und einen weiteren aktiven, viel zu wenig beachteten Hochrisiko-Reaktor.

Bayern ist deshalb weiterhin eine entscheidende Zentrale für die Zukunft der Atomkraft in Deutschland und Europa.

Hier die vier größten Atomprobleme:

1. AKW Isar II

Das letzte der großen kommerziellen bayrischen AKW heißt Isar II, liegt bei Landshut und wird von Eon betrieben. Eon ist unter anderem aus dem früheren Bayernwerk hervorgegangen. Isar II soll Mitte April endgültig vom Netz. Eon hat seinen Sitz in Essen, hat aber aufgrund der Konzerngeschichte weiter einen engen Draht zur bayrischen Staatsregierung.

Eon bleibt zusammen mit RWE zudem deutscher Anteilseigner bei Urenco – also Mitbetreiber der Urananreicherungsanlagen Gronau und Almelo. Damit bleiben Eon und RWE Atomkonzerne und mitverantwortlich für den weltweiten Uranabbau – sowie mit einem Schlüssel zur Atombombe in der Tasche (s. Teil 3 der Mini-Serie).

 

2. Garching

Dieser Forschungsreaktor der TU München (also des Freistaats Bayern) ist enorm brisant, weil er trotz massiver Kritik aus dem In- und Ausland mit hoch angereichertem – also atomwaffenfähigem – Uran betrieben wird. Seit 2020 liegt Garching wegen technischer Probleme still. Doch Markus Söder will den Reaktor in 2024 wieder anfahren – strategisch geschickt erst nach der Landtagswahl im Herbst, um den Ball dieses Jahr flach zu halten. Dazu hat die TU in 2022 verlautbaren lassen, dass der Reaktor evtl. auch auf niedrig angereichertes Uran umgestellt werden könnte. Die Realisierung ist aber ungewiss und klingt wie ein reines Beruhigungsbonbon.

Fakt ist: Bayern will die abgebrannten, hochangereicherten Brennelemente in mehreren Castor-Transporten ab 2024 von München nach Ahaus zur Endloslagerung bringen – dagegen protestieren wir schon seit Jahren und werden es weiterhin tun!

 

3. Siemens Energy

Seit einem Jahr steht die Abspaltung von Siemens massiv in der Kritik, weil der Konzern zusammen mit Framatome (Punkt 4) Steuerungsteile für das geplante Rosatom-AKW im ungarischen Paks liefern will. Unter anderem urgewald, Ecodefense und Luisa Neubauer haben dagegen auf der aktuellen Hauptversammlung intensiv protestiert. Denn mitten im Ukraine-Krieg zusammen mit dem Kreml-Konzern Rosatom AKWs zu bauen, ist doppelt unverantwortlich. Es verschafft Putin geopolitische Pluspunkte und schwächt die Solidarität mit der Ukraine.

Die Atompläne von Siemens Energy zeigen, dass der 2011 nach Fukushima angekündigte „Ausstieg“ von Siemens aus der Atomenergie nur auf dem Papier stand und der Konzern weiter beim Neubau von AKW aktiv mitarbeitet – und das sogar zusammen mit dem Kreml!

 

4. Framatome Erlangen und Lingen

Die deutsche Technikfiliale des staatlich-französischen Atomkonzerns Framatome (eine Tochter von EdF) hat ihren Sitz in Erlangen und ist aus der alten KWU (Kraftwerksunion) und dann dem Joint Venture von Siemens und Areva hervorgegangen – und ist deshalb immer noch bestens verdrahtet mit Siemens und der bayrischen Staatsregierung. Die Brennelementeherstellung in Lingen ist eine Abteilung von Framatome Deutschland.

Framatome Erlangen ist Spezialist beim Bau von Atomkraftwerken weltweit, aber auch für den Bau von Brennelementefabriken, wie kürzlich in Kasachstan. Besonders eng ist die Zusammenarbeit mit dem anderen Global Player, Rosatom. In Ungarn baut man gemeinsam ein russisches AKW, bei der Brennelementefertigung wurde in Frankreich nach Informationen aus dem Bundestag kürzlich insgeheim ein Joint Venture mit Rosatom gegründet, um die osteuropäischen, sowjetisch-russischen Alt-AKWs demnächst mit „russischen“ Brennelementen aus Lingen und Frankreich beliefern zu können. Die franz. Regierung verhindert zudem, dass der russische Atomsektor von EU-Sanktionen betroffen wird.

Bislang halfen die guten Drähte zur bayrischen Staatsregierung zur uneingeschränkten Unterstützung der Bundesregierung. Auch die Wahrung der deutschen-französischen Freundschaft war immer ein großes Thema im Atombereich. Doch der russische Einmarsch in die Ukraine und das Ausscheiden der CSU aus der Bundesregierung hätten eigentlich ein Umdenken in Berlin, München und Paris bewirken müssen. Davon ist aber noch nicht viel zu sehen.

Deshalb stehen die Brennelementeproduktion in Lingen und der AKW-Bau in Ungarn auch im internationalen Fokus. Stellt sich die Bundesregierung auf die Seite der geostrategischen Atom-Achse Paris-München-Budapest-Moskau oder wird hier endlich die Notbremse Richtung Atomausstieg gezogen?

 

Fazit:

Bayern ist Atomland und bleibt es auch über den 15. April hinaus. Markus Söder und die Atomlobby geben ihre nuklearen Hoffnungen und Pläne (noch) nicht auf. Die Stilllegung von Isar II ist deshalb ein wichtiger, aber längst nicht der einzige notwendige Schritt zum Atomausstieg. Garching, Siemens Energy und Framatome sind drei weitere, sehr harte politische Nüsse, die auf dem Weg zu einem echten Atomausstieg geknackt werden müssen.