- Bund und Land müssen gefährliche Castor-Lawine verhindern
- Neue Protestaktionen in Ahaus am 31. August und 4. Oktober
Anti-Atomkraft-Initiativen aus Jülich und dem Münsterland sowie der BUND Landesverband NRW haben einen Brandbrief an Bundesumweltminister Carsten Schneider (SPD), NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) und NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne) geschickt. Sie fordern darin Last-Minute-Gespräche zwischen den Beteiligten in Bund und Land über die drohenden Castor-Transporte nach Ahaus: Bereits für diese Woche werden laut NRW-SPD die Transportgenehmigungen für 152 Castoren aus Jülich sowie für weitere 38 Castoren mit hochradioaktivem und hochangereichertem Atommüll aus dem Forschungsreaktor Garching erwartet.
In dem Brief schließen sich die Organisationen der Einschätzung der Gewerkschaft der Polizei (GdP) an, dass die Castor-Transporte „Wahnsinn“ sind, da es sich um ein Mammutvorhaben von vier bis acht Jahren über marode Autobahnen handelt – ohne jeden Sinn. Die jetzige Genehmigung des Ahauser Zwischenlagers läuft bereits 2036 aus, während das Verfahren zur Neu-Genehmigung erst 2028 beginnt.
Die jetzt geplanten Castor-Transporte nach Ahaus laufen in eine rechtlich völlig ungeklärte Situation hinein. Im schlechtesten Fall käme der letzte Transport aus Jülich oder Garching nach den Berechnungen der SPD erst in 2033 in Ahaus an – drei Jahre später müsste dann das hiesige Zwischenlager womöglich selbst geräumt werden – doch wohin eigentlich? Der Ausgang einer Neugenehmigung für Ahaus ist völlig offen, da die jetzige Lagerhalle zu den ältesten der Republik mit den dünnsten Wänden zählt. Daran konnten auch „Härtungen“, die ihrerseits zu neuen Problemen geführt haben, nichts ändern.
In der Sache hat sich rund um die Weiterlagerung der rund 300.000 hochradioaktiven Brennelementekugeln in Jülich in den letzten 15 Jahren nichts getan, da Bund und Land NRW niemals ernsthaft über nachhaltige Lösungen für die Lagerung des Atommülls verhandelt haben. Die Atommüll-Verschiebung dient keinerlei sachlichem Zweck, sondern ist einzig und allein das Ergebnis der fehlenden Gesprächsbereitschaft zwischen Bund und Land sowie dem Wunsch der Atommüllverursacher in Jülich, ihr Erbe loszuwerden. Solange die eigentliche Endlagerfrage nicht geklärt ist, ist es widersinnig, Atommüll von einem Zwischenlager ins nächste zu transportieren. Auch hinsichtlich der aktuellen Sicherheitslage provoziert es geradezu sicherheitsrelevante Zwischenfälle, wenn über einen so langen Zeitraum hochradioaktiver Atommüll in großen Polizeikonvois über die Autobahnen des Landes transportiert wird.
Die GdP hat zu 100 Prozent recht, wenn sie von „Aufgabe ohne Sinn“ und „Wahnsinn“ spricht. Es heißt immer, dass die „demokratische Mitte“ dieses Landes miteinander gesprächsfähig bleiben müsse, um sachlich nachhaltige, praktische Lösungen zu erarbeiten. Von dieser Gesprächsfähigkeit und vom Willen, gemeinsam sachliche Lösungen herbeizuführen, ist in der Castor-Frage leider nichts zu sehen.
Die Anti-Atomkraft-Organisationen fordern deshalb NRW-Ministerpräsident Wüst, Bundesumweltminister Schneider und NRW-Wirtschaftsministerin Neubaur auf, unverzüglich aufeinander zuzugehen und dann auch das Bundesfinanzministerium und Bundesforschungsministerium einzubinden, da diese maßgeblich die Entscheidungsgremien und die Finanzierung der Jülicher Entsorgungsgesellschaft für Nuklearanlagen (JEN) beeinflussen. Nur so können gemeinsam und konstruktiv Schäden von der Gesellschaft abgewendet, unnötige Risiken minimiert und Prozesse und Entscheidungen transparent getroffen werden.
In dem Brief fordern die Organisationen zudem, das Verfahren für die Transportgenehmigungen auszusetzen, um den Gesprächen politischen Raum zu ermöglichen. Außerdem fordern sie von der NRW-Landesregierung, die beiden in Frage stehenden Grundstücke für den Neubau eines Zwischenlagers in Jülich sofort und kostenlos der zuständige JEN zu übereignen, um die bisherige gegenseitige Blockade zu überwinden. Die Initiativen erneuern auch ihre Einladung an die drei Spitzenpolitiker:innen aus Bund und Land, sich in Jülich und Ahaus im Gespräch den Fragen der Bürger:innen zu stellen.
Zugleich rufen die Initiativen zu verstärkten Protesten auf: Am 31. August findet um 14 Uhr ein außerordentlicher Sonntagsspaziergang am Zwischenlager in Ahaus statt, am 4. Oktober ist eine große Demonstration in der Ahauser Innenstadt geplant. Außerdem wird es am Tag nach Bekanntwerden der Transport-Genehmigung spontane Proteste um 18 Uhr vor dem Zwischenlager Ahaus und dem Forschungszentrum Jülich geben.